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Helena und Ihre geile Familie Teil 10

Helena und Ihre geile Familie – Das Ende

Es war Samstag Nachmittag. Walter stand am Terrassenfenster und hatte seine Hände hinter dem Rücken verschränkt. Er blickte in den Garten hinaus. Draußen nieselte es. Der Himmel war grau in grau. Helena räumte in der Küche Geschirr weg. Sie fragte zu ihrem Mann hinüber:
„Wann hast du gesagt, dass sie kommen?“
„Linda und Kevin sollten eigentlich schon da sein, und Susanne ist noch einkaufen gegangen. Sie kommt vielleicht etwas später.“
„Ein eigenartiges Gefühl, Walter, dass die Kinder uns besuchen und nicht mehr einfach nach Hause kommen.“
„Nun, das ist der Lauf der Dinge, Helena. Alt genug sind sie ja, um alleine irgendwo… Ich glaube, ich höre Kevins Wagen.“
Walter ging in den Flur und schaute durch das Fenster, dann öffnete er die Tür. Helena folgte ihm nach draußen. Kevin fuhr vor`s Haus. Er parkte, stieg aus und umarmte seine Eltern. Als die drei ins Haus gehen wollten, sahen sie Lindas Wagen, der in die Straße einbog. Sie warteten, bis Linda bei ihnen war und sie begrüßt hatte.
„Kommt rein, Kinder“, meinte Helena, „draußen werdet ihr nass.“
Sie gingen ins Haus. Kevin und Linda setzten sich im Wohnzimmer an den Esstisch. Kevin legte einen dicken Packen Blätter vor sich. Walter kam herein, ebenfalls mit einem Stapel Blätter unter dem Arm, und fragte Linda:
„Wo ist dein Exemplar? Ich habe doch jedem letzten Mittwoch eins zugeschickt?“
„Ach, das liegt noch zu Hause, Papa, ich hab’s vergessen.“
„Dass du mir das Zeug ja vernichtest, wenn du nach Hause kommst.“
„Ja Papa, werde ich.“
Es läutete an der Tür. Es war Susanne. An der einen Hand hatte sie ihr Söhnchen Thomas, unter dem andern Arm ein dickes Durcheinander von Blättern. Klein Thomas konnte schon laufen und stolperte auf Linda zu, die ihn mit offenen Armen empfing. Sie hob Thomas hoch und drehte ihn lachend im Kreis.
„Mann, ist der aber gewachsen“, sagte Kevin staunend zu Susanne, „ich habe ihn eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Kann er schon lange laufen?“
Susanne umarmte ihn zur Begrüßung.
„Schon ein Weilchen, Kevin… Ja, seit du nicht mehr hier wohnst, sieht man dich nicht mehr oft.“
Susanne umarmte die andern. Sie brachte Thomas ins Nebenzimmer zu den Spielsachen. Sie kam zurück und nahm am Tisch Platz. Den Papierstapel legte sie vor sich auf die Tischplatte. Walter blieb hinter seinem Stuhl stehen und rückte seine Krawatte zurecht. Linda bat ihn:
„Ach Papa, zieh deine Krawatte aus, das sieht so komisch aus zu Hause.“
Walter wandte sich an die Sitzenden:
„Ich möchte euch alle herzlich begrüßen. Ihr kennt ja den Grund unseres Treffens. Wie ich sehe, habt ihr alle ein Exemplar von mir erhalten. Ihr wisst also, um was es geht. Und du Linda, bitte, zerstöre das Zeug sobald als möglich.“
„Ja, sicher Papa. Aber zieh endlich die Krawatte aus.“
Kevin fragte seinen Vater, der umständlich seinen Krawattenknopf vom verschwitzten Kragen löste:
„Wie bist du zu diesen Texten gekommen, Paps?“
Walter begann zu erklären:
„Zuerst hatte ich einen Anruf von einer Person.“
„War es ein Mann oder eine Frau?“
„Der Anruf kam auf mein Handy. Es war laut im Büro, und die Verbindung war schlecht. Ich weiß nicht.“
Walter dachte kurz nach und erbleichte.
„Bei uns in der Bank werden alle Telefonate aufgezeichnet… Mein Gott! Hätte die Person über die Zentrale angerufen, wäre das Gespräch jetzt aufgezeichnet… Susanne, kennst du meine Handynummer?“
„Ja Walter, du hast sie mir letzten Sommer bei einem Ausflug gegeben, warum?“
„Ach, nur so… Nun, die Stimme klang recht freundlich. Aber ich kann nicht sagen, ob es ein Mann oder eine Frau war, ich wusste ja noch gar nicht, um was es ging.“
„Was hat sie gesagt, die Stimme?“
„Wörtlich weiß ich das nicht mehr so genau, ich wurde zwischen zwei Vorstandssitzungen angerufen. Sie hat sich bedankt für unser Mitwirken bei der Geschichte, wir seien die ideale Vorlage gewesen, und wir würden davon eine Kopie erhalten. Am nächsten Morgen brachte mir Frau Zimmerlein, meine Sekretärin, wie immer die Post, vorsortiert in Aktenhüllen. Da lag es dann vor mir.“
„Hat es Frau Zimmerlein gelesen?“
„Mach mich nicht verrückt Linda… Ich hoffe… ich glaube nicht. Frau Zimmerlein hätte wohl sofort gekündigt.“
Walter holte ein Taschentuch hervor und tupfte sich Schweißtropfen von der Stirn. Linda fragte ihn:
„War ein Brief dabei?“
„Nein, nur was ich euch geschickt habe, die Geschichten und diese Internetadresse, sonst nichts. Ich musste mich abends, als alle weg waren, ans Kopiergerät schleichen, um euch ein Exemplar zuschicken zu können.“
„Pa“, meldete sich Kevin, „das nächste Mal gibst du uns bloß die Internetadresse. Wir haben alle zu Hause einen PC.“
„Was heißt hier das nächste Mal? Du machst einen schlechten Scherz mein Junge. Der soll aufhören damit!“
„Also doch ein Mann, der das geschrieben hat.“
„Ich weiß nicht… Aber du glaubst doch nicht, eine Frau wäre zu einem solchen Unfug fähig?“
„Vielleicht unterschätzt du die Frauen, warf Linda ein.“
„Ach Linda, das ist wohl der falsche Moment…“
„Der Moment ist immer falsch, gab Linda schnippisch zurück.“
„Etwas ist schon merkwürdig“, fragte sich Susanne, „der kennt all unsere Namen. Er weiß sogar, dass Helena und ich befreundet sind.“
„Dieser Schmierfink weiß sogar, dass du einmal unser Hausmädchen warst“, erzürnte sich Walter.
„Das ist aber schon lange her“, gab Helena zu bedenken, „glaubst du Walter, dass wir seit Jahren beobachtet werden?“
„Ich weiß nicht, Helena, ob sich einer über eine solch lange Zeit die Mühe macht, eine Familie zu observieren, um nachher einen erfundenen Haufen von Obszönitäten aufs Papier zu klatschen…“
„…und dann zu veröffentlichen, seufzte Helena.“
Walter presste seinen Zeigefinger auf den Papierstapel und schaute drohend in die Runde.
„Das ganze Geschmiere hier ist reine Fiktion!“
„Ja, alles Fiktion, aber mit ‚ck‘ geschrieben.“
„Es ist nicht der Moment für Witze, Kevin!“
„Der kennt meinen Lieblingsplatz fürs Sonnenbaden draußen, dort neben dem Rosenstock“, kam Linda in den Sinn.
„Auch unsere griechische Säule hat er beschrieben“, sorgte sich Helena.
„Und er weiß sogar, dass sie aus Gips ist“, bemerkte Kevin lakonisch.
Helena fragte unsicher:
„Vielleicht lassen wir sie besser verschwinden, Walter?“
„Ja, tun wir das… Mir hat sie ohnehin nie gefallen.“
Helena blickte zu allen.
„Hat je einmal eines von euch etwas bemerkt, das so aussah wie eine Observierung?“
Alle schauten fragend um sich.
„Nein.“
„Mir ist nie etwas aufgefallen.“
Auch Linda fand:
„Nein Paps. Nicht einmal einen Spanner konnte ich über all die Jahre in der Nähe unseres Gartens beobachten.“
„Wieso um alles in der Welt weiß dieser Mistkerl so viele Dinge über uns?“
„Ach siehst du, Walter“, versuchte Helena ihren Mann zu beruhigen, „es gibt viele Häuser mit Liegen neben einem Rosenstock, Wohnzimmer mit einer griechischen Gipssäule und…“
„…Aber es gibt wohl kaum Familien mit einer Helena, einem Walter, einer Linda und einem Kevin… und dazu noch eine Freundin der Dame des Hauses mit dem Namen Susanne!“ ärgerte er sich.
Susanne spreizte ihre Finger auf der Tischplatte und neigte sich gegen ihn.
„Bitte entschuldige Walter, dass ich und Helena befreundet sind.“
„So wollte ich es nicht sagen, Susanne. Aber hier verletzt jemand unsere Privatsphä
re aufs Gröbste, indem er uns übelste Aktivitäten andichtet.“
„Ach Paps, nenn’s doch beim Namen“, unterbrach ihn Kevin, „dieser sogenannte Autor schreibt müde Klamotten, und in seinen Fickgeschichten spielen wir die Hauptrolle.“
„Eben ja! Stell dir mal vor, wenn das jemand erfährt. Dieser Gurgel soll damit aufhören!“
„’gurgy‘ Paps, ‚gurgy‘ ist englisch.“
„Wie auch immer! Wenn ich diesen Scheißkerl in die Finger…“
„Walter!“
„Entschuldige Liebes.“
Helena wandte sich an die Runde:
„Ist eines von euch auf diese Geschichten angesprochen worden?“
Alle schüttelten den Kopf.
„Also siehst du, Walter, ich denke, es wird dabei bleiben. Wohl kaum jemand in unserem Ort wird solchen Schweinekram lesen und dabei an unsere Familie denken… Ich glaube überhaupt nicht, dass jemand so was liest.“
Linda dachte laut weiter:
„Und wenn es doch jemand gelesen hat und uns zu erkennen glaubt, wird er es wohl kaum sagen. Sonst würde er sich ja outen als Leser von Rammelgeschichten.“
Kevin schaute seinen Vater lachend an:
„Papa, hat deine Vorzimmerdame einen PC zu Hause?“
„Ja, das hat sie einmal erwähnt. Warum?“
„Bist du sicher, dass Frau Zimmerlein zu Hause nicht solche Geschichten am Bildschirm liest? Vielleicht hat sie ja unsere Geschichten gelesen, bevor sie diese auf dein Pult legte, vielleicht hatte sie bloß Verständnis.“
„Werde nicht unverschämt, mein Sohn! Frau Zimmerlein? Nie und nimmer! Ich kann mir kaum vorstellen, dass sie sich überhaupt für Sex interessiert.“
„Die Arme“, seufzte Linda.
Walter fasste sich.
„Also, ich halte fest: Ob Observierung, ob Zufall oder nicht, eine Tatsache bleibt: Ich hatte einen Anruf auf mein Handy.“
Walter schaute von einem zum andern.
„Hat jemand von euch meine Handynummer weitergegeben?“
Alle schüttelten den Kopf. Susanne meldete sich:
„Ach so, deshalb hast du mich vorher gefragt, ob ich deine Handynummer kenne.“
„Susanne, diese Handynummer kennt nur die Familie, niemand sonst. Ich glaube nicht, dass die Kinder meine Nummer weitergegeben haben, warum auch? Herrgott, von irgendjemandem muss doch dieser Sauhund meine Handynummer haben!“
Helena gestreng:
„Walter! Bitte wähle deine Worte!“
Susannes Augen wurden feucht. Tränen begannen über ihre Wangen zu laufen.
„Es tut mir leid Walter, wegen der Kritzelei von diesem ‚gurgy‘. Es betrifft mich genauso wie deine Familie. Ich verstehe, dass du wütend bist. Wenn du aber einen Sündenbock brauchst, dann such dir gefälligst jemand andern. Adieu!“
Mit einem Ruck erhob sie sich und verschwand im Nebenzimmer, um ihren Sohn zu holen. Helena empörte sich:
„Da siehst du wieder Walter, was du angerichtet hast. Bitte zügle dein Temperament!“
Sie stand auf und ging in den Flur, wo Susanne daran war, ihren Mantel anzuziehen. Helena umarmte ihre Freundin.
„Entschuldige Susanne. Walter meint es nicht so. Er hat furchtbar Angst, dass die Leute deswegen über uns zu sprechen beginnen. Er wird sich bei dir entschuldigen, dafür sorge ich.“
„Ach Helena“, schluchzte Susanne, „irgendwie habe ich das Gefühl, dass sich Walter bei dieser Sache an die Zeit erinnert, als ich bei euch Hausmädchen war. Vielleicht hat er immer noch ein schlechtes Gewissen wegen damals… Bist du mir deswegen noch böse?“
„I wo, Susanne, das ist schon so lange her. Glaubst du, wir wären sonst über all die Jahre Freundinnen geblieben?“
Helena herzte ihre Freundin erneut. Susanne wischte sich die Tränen von den Wangen und verabschiedete sich. Sie nahm klein Thomas bei der Hand und ging.
Helena kam zurück zum Tisch und setzte sich.
„Darüber reden wir noch, mein Lieber“, rügte sie ihren Mann.
„Ich wollte sie nicht verärgern Helena. Aber fragen wird man doch wohl noch dürfen… Nichtsdestotrotz, sorgen wir dafür, dass dieser beschämende Schund von der Welt verschwindet!“
Walter packte die Blätter, die Susanne hatte liegen lassen. Er ging hinaus auf die Terrasse und legte den Stapel auf den Gartengrill. Die andern am Tisch blickten mit offenem Mund zu ihm hinaus, wie er Unmengen von Anzündflüssigkeit über die Texte goss. Helena begann sich zu sorgen.
„Walter, paß auf, wenn du die Blätter anzün…“
Es war zu spät. Eine Stichflamme ließ Walter zurückweichen. Helena sprang zu ihm hinaus und stellte fest, dass seine Augenbrauen von der Hitze angekräuselt waren. Helena kam zurück. Während sie auf die Küche zusteuerte, meinte sie:
„Wie die Kinder, mein Walter, immer am Zündeln.“
Kevin ging nach draußen und schaute seinem Vater zu, der die Papiere bündelweise ins Feuer warf.
„Ich habe dabei kein gutes Gefühl, Pa.“
„Fort ist fort und weg ist weg, hustete er durch den Qualm, solche Dreckbücher müssen vernichtet werden!“
„Ich weiß nicht“, erwiderte Kevin und blickte ins Feuer, „so was gab’s doch schon einmal hier, gar nicht weit von uns…“
Walter blickte zu ihm, dann in den Himmel. Er verwarf seine Hände.
„Mein Sohn! Von meinem Sohn muss ich mir so was sagen lassen!“
Er fuhr weiter, die Geschichten zu verbrennen.
Kevin trat aus dem Rauch und ging in den Garten hinaus. Es hatte aufgehört zu regnen. Linda sass auf der Liege und betrachtete den Rosenstock vor sich. Kevin wischte die Regentropfen von der Sitzfläche und setzte sich neben seine Schwester. Er legte die Arme über die Knie und schaute zu seinem Vater hinüber.
„Papa ist ein bisschen außer sich.“
„Ja Kevin, kann ich verstehen. Er hat Angst wegen den Nachbarn, und wegen den Leuten in der Bank.“
„Unser Pa versteht aber nicht, dass das Zeug im Internet herumliegt. Verbrennen bringt nichts, höchstens eine Rauchvergiftung.“
Kevin blickte zum Rosenstock und nickte nachdenklich.
„Hier ist also der Tatort.“
„Ja. Ich hoffe nur, Papa wird den Rosenstock nicht ausreißen. Sie können ja die Liege an einen andern Platz rücken. Es gibt viele Gärten mit Rosenstöcken und Liegen.“
Kevin schaute um sich.
„Tatsächlich habe ich dir hier ab und zu den Rücken eingeölt.“
„Und tatsächlich hast du mir früher vor der Duschentür aufgelauert…“
„… und du hinter der Duschentür gewartet, lachte Kevin auf.“
„Ach komm Kevin, wir waren Kinder.“
„Du hast deine Blätter nicht mitgebracht, Linda. Dabei ging es doch bei unserem Treffen genau um die.“
„Ich habe sie nicht vergessen, Kevin, mein Freund hat sie gefunden…“
„… und gelesen?“
„Ja, hat er.“
„Was meint er dazu?“
„Er… er möchte einige Dinge ausprobieren.“
Kevin lachte auf.
„Was denn?“
„Ach Kevin, du glaubst doch nicht, dass ich dir… Kläre das bitte mit deiner Freundin… Hast du es ihr gezeigt?“
„Eh, nein. Weißt du, wir sind noch nicht so lange zusammen. Ich weiß nicht, wie sie reagieren würde.“
„Ach, ihr Männer seid doch Angsthasen! Zeig’s ihr. Sie wird es lesen, bestimmt, und zwar vom Anfang bis zum Ende, glaub’s mir.“
„Meinst du?“
„Sicher. Aber Vorsicht Kevin, kicherte Linda, auch sie wird mit dir ein paar Sachen ausprobieren wollen.“
Kevin lachte und klatschte sich auf die Schenkel.
„Deine Fantasie möchte ich haben.“
Er erhob sich und ging hinein. Mama war in der Küche. Er stand in der Küchentür als er sie fragte:
„Du hast gar nicht viel gesagt, Ma. Was denkst du über die ganze Sache?“
„Du meinst wegen dem Ausspionieren?“
„Ja. Ist immerhin verblüffend, diese Übereinstimmungen…“
„Ach Kevin, ich glaube nicht, dass uns jemand in unserem Haus beobachtet. Viel eher denke ich, dass da jemand in unsere Köpfe geschaut hat. Je mehr sich eines von uns darüber ärgert, desto mehr stelle ich mir die Frage ob… Ich denke, ich werde mich ein bisschen um Walter kümmern müssen.“
Linda kam dazu.
„Ich hoffe Ma, dass du dir die Sache nicht so zu Herzen nimmst wie Papa. Er ist ziemlich wütend.“
„Mach dir Keine Sorgen, Kleines, ich
denke nicht, dass uns jemand verfolgt. Viel eher glaube ich, dass wir uns selber auf den Leim gekrochen sind.“
Linda schaute auf ihre Uhr:
„Ach, schon so spät? Ich habe in einer halben Stunde Tennis. Ich muss gehen.“
Kevin schloss sich ihr an. Sie verabschiedeten sich von den Eltern und verließen das Haus.
Draußen öffnete Kevin seinen Wagen. Er lehnte seinen Arm auf die Wagentür und drehte sich zu Linda:
„Ich hab das Zeug ein paar Mal gelesen, Linda. Ich habe den Eindruck, dass dieser ‚gurgy‘ bloß ein bisschen übt.“
„Soll er doch besser mit seiner Freundin üben…“
„Wahrscheinlich tut er beides“, lachte Kevin und setzte sich.
Linda fragte ihn durch das offene Wagenfenster:
„Was heißt eigentlich ‚gurgy‘? Hast du eine Ahnung?“
„Ja, weiß ich… Ach, ich hab’s vergessen mitzubringen. Weißt du was? Ich schicke dir eine Mail mit einem Link zum Bild. Morgen hast du’s. Tschüss!“
Kevin startete den Motor und fuhr davon.
Es wurde still im Haus. Walter stand am Terrassenfenster. Helena trat an seine Seite und legte die Hand auf seine Schulter.
„Wenn ich ehrlich bin, Walter, vermisse ich die Kinder bei uns zu Hause.“
„Ich auch“, antwortete er.
Walter stand noch lange am Fenster und schaute den Aschenflocken nach, die in den grauen Himmel stiegen.

***

Es war Abend nach den Spätnachrichten. Walter und Helena saßen auf der Couch vor dem Fernseher. Er schaute fragend zu ihr. Sie nickte. Er schaltete die Geräte aus. Beide schickten sich an schlafen zu gehen.
Walter war auf der Treppe nach oben, als Helena hinter ihm sagte:
„So mein Lieber, dein Golftag am nächsten Wochenende ist gestrichen. Wir werden Susanne zum Essen einladen und mit ihr und klein Thomas einen Ausflug machen. Wir haben allen Grund, uns bei ihr zu entschuldigen.“
„Wenn du meinst“, gab Walter kleinlaut bei. Er drehte sich um und sah, dass seine Frau in einem Papierstoß blätterte.
„Herrgott Helena, wieso hast du mir die Blätter nicht zum Verbrennen gegeben? Was, wenn die hier in unserem Haus liegen bleiben?“
„Keine Sorge, du Angsthase, ich werde sie morgen in den Müll werfen.“
Helena blätterte weiter, während sie ihrem Mann die Treppe hoch folgte.
„Du Walter, dieser Schreiberling hat sich Sachen auch einfach nur so ausgedacht. Hier zum Beispiel, in der zweiten Geschichte: Wir haben gar kein spezielles Licht in unserem Schlafzimmer!“
„Nein, haben wir nicht.“
„Meinst du nicht, unser Schlafzimmer würde gewinnen, wenn wir darin etwas wärmeres Licht hätten?“
Walter überlegte.
„Wenn du willst, dann hole ich nächstes Wochenende so was im Baumarkt.“
Helena blätterte weiter, als Walter sie erstaunt fragte:
„Hast du da Marker auf die Blätter geklebt, Helena?“
„Ja, es sind so viele Seiten, man findet sonst die Stelle nicht… Ach da… Weißt du Walter, eigentlich ist nicht alles Blödsinn, was hier steht, zum Beispiel das…“
Sie zeigte mit dem Finger auf eine Textstelle und kicherte.
„Das hier könnten wir vielleicht sogar einmal ausprobieren…“
Walter las. Dann blickte er seine Frau fragend an.
„Meinst du?“
„Ja!“ antwortete Helena und nickte hinter ihrer vorgehaltenen Hand.
Er raunte ihr zu:
„Wenn du meinst, mein Täubchen…“
Sie traten ins Schlafzimmer. Helena warf ihm einen bestimmten Blick zu als sie sagte:
„Heute bleibt das Licht an.“


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